Vermächtnis und Leidenschaft
Unternehmen in Ostthüringen: Nach dem Tod ihres Vaters hatten die Brüder Ronny und Denny Karl vor drei Jahren plötzlich ein Familienunternehmen mit 70 Mitarbeitern zu leiten.
Teigwaren aus Riesa, aber auch Müsli, Tiefkühlkost und Salate in Aldi-Regalen stecken in Hüllen aus Rüdersdorf (Landkreis Greiz). Sogar die Umverpackungen für die lärmenden Vuvuzelas - ganze acht Millionen Stück - liefen zur Fußball-WM 2010 hier vom Band.Am Ortsrand der beschaulichen Gemeinde, die zu Kraftsdorf gehört, produziert die FirmaKarl Verpackungen für namhafte Firmen auf dem ganzen Kontinent. Mit 45 Prozent macht der Lebensmittelbereich den Hauptteil des Produktionsvolumens aus. Ein sensibles Feld: Strenge Hygienestandards zum Schutz der Nahrung vor Substanzen aus dem Verpackungsmaterial spielen eine entscheidende Rolle. Bislang konnte die GmbH mit ihrer HACCP-Zertifizierung mithalten. Seit April ist die nächsthöhere Stufe - der internationale BRC-Standard - mit Bestnote bestanden."Damit können wir zu den Großen der Branche aufschließen", freut sich GeschäftsführerRonny Karl und nimmt bereits eine neue Zielgruppe in Österreich und der Schweiz ins Visier: "Auftraggeber für Kaffeeverpackungen."Auch einen zweiten wichtigen Kundenkreis hat der Familienbetrieb rechtzeitig ausgemacht: den Online-Versandhandel. So setzen Branchenführer wie Amazon und Zalando auf Versandtaschen der Firma Karl, die Rüdersdorf mit der Aufschrift "Kavepa" verlassen.Anfangs war dieses Kunstwort nur als eingängiger Markenname geplant. Inzwischen hat sich daraus eine Firmenphilosophie entwickelt. So steht Kavepa für Kundenorientierung, Affinität zum Produkt, Vertrauen, Engagement, Produktvielfalt, Anpassungsfähigkeit. Für all diese Werte will der Familienbetrieb mit seinen 70 Mitarbeitern garantieren.Geschäftsführer Ronny Karl hat obendrein noch ein persönliches Leitmotiv: "Dem Kunden mehr bieten als er erwartet." Denn der Wettbewerb werde im In- und Ausland schärfer. Da heiße es schneller und flexibler sein als die Konkurrenz. Mit 17 Konfektionsmaschinen, zwei Druckmaschinen, zwei Schneidanlagen und einer Kaschieranlage ist die Technik leistungsfähig und modern. Dieses Jahr soll für knapp 350.000 Euro eine neue Konfektionsmaschine kommen. Auch 2015 steht eine halbe Million in der Planung.Zusätzliche Arbeitsplätze bringen diese Investitionen nicht. Aber sie machen die vorhandenen sicherer. Ziel sei es, bei konstanter Mitarbeiterzahl höhere Umsätze zu erwirtschaften, sagt der Chef. Gleichwohl sollen die Jobs heute und in Zukunft attraktiv sein. Mit vielen kleinen Maßnahmen hofft Karl, dass dies gelingt. Angefangen bei Aufmerksamkeiten zu Mitarbeiter-Geburtstagen über Arbeitszeitkonten bis hin zu garantierten Aufstiegschancen. Die Firma bezahle Qualifizierungen und Meisterkurse, sagtKarl.Keinem sei schließlich gedient, wenn Kollegen nach zehn Jahren frustriert sind, weil sie im Betrieb nicht weiterkommen. Dass man ihnen Karriere ermöglicht, sei gerade mit Blick auf den Fachkräftebedarf entscheidend. Karl versichert: "Wer sich weiterbildet hat die Chance, etwas zu werden und mehr Geld zu verdienen."Nachwuchsprobleme? So weit soll es gar nicht erst kommen. Ab September bildet die Firma zwei Verfahrensmechaniker für Kunststoff- und Kautschuk-Technik sowie zwei Druck- und Medientechnologen aus. Im Moment lernen zudem noch zwei angehende Verwaltungskauffrauen ihren Beruf.Geschäftsführer Ronny Karl (34) ist von Hause aus Kunststofftechniker. Sein Bruder Denny (38) hat Abschlüsse als Industriekaufmann und Informationstechnischer Assistent. Er verantwortet die Produktion im Betrieb, dem beide seit 12 Jahren angehören.Miterlebt haben sie den Aufstieg der Firma von Kindesbeinen an. Vater Jürgen Karl hatte 1990 mit dem "Verpackungsmittelservice Rüdersdorf" den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt. Damals als reines Handelsunternehmen, das Imbiss-Bedarf, Blumenverpackungen und Vakuumbeutel anbot.1991 startete die Produktion in einem Nischenbereich. Jürgen Karl wollte keine Standard-Tragetaschen herstellen, sondern Verpackungen von hoher Qualität. Sein Plan ging auf: Nur vier Jahre später weihte er im Beisein von neun Mitarbeitern eine neue Produktionsstätte ein.Von nun an expandierte man im Eiltempo: 2002 ein Anbau, 2005 eine neue Produktionshalle, 2006 die nächste Erweiterung, 2010 eine zusätzliche Produktionsstrecke. Damals kam die weltweit erste 12-Farben-Flexodruckmaschine - entwickelt in Italien - nach Rüdersdorf.
2011 dann der Schicksalsschlag: Wenige Tage vor Weihnachten stirbt der Firmengründer an Krebs. Seine Söhne müssen komplett übernehmen - und zeigen sich bestens gewappnet. Ronny Karl wird Geschäftsführer und Hauptgesellschafter. Auch sein Bruder Denny und Buchhalterin Simona Sindermann halten Anteile.Von Stagnation ist trotz des tragischen Einschnitts keine Spur. Binnen 24 Monaten legte der Umsatz um acht Prozent zu, auf 12,8 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Die Brüder sehen sich als positives Beispiel - dafür, wie die jüngere Generation ein Unternehmen, das die Eltern aufgebaut haben, erfolgreich fortsetzen konnte.Was nur möglich war, weil die Familie dahinter steht, Entscheidungen schnell und konsequent zu treffen sind. Und weil die Belegschaft mitzieht, wieKarl unterstreicht. Sein Anspruch: "Man muss als Unternehmer Leidenschaft haben. Und wenn man davon 50 Prozent auf die Mitarbeiter übertragen kann, dann kann man sich schon als erfolgreich bezeichnen."
Maschinenführer Max Petzold an der Kaschieranlage. Hier werden zwei Rohfolien zu einem Duplex- oder Triplex-Verbund verklebt. Im Moment der Aufnahme entsteht Müsli-Verpackung, die man bei Aldi findet.
Foto: Beikirch/ Text: Steffen Beikirch - 26.05.2014 OTZ - Z0R0001539015